(deutsch/english)
Die meisten wissen mittlerweile, dass es noch keine Maschinen gibt, die ein fertiges T-shirt ausspucken, es gleichzeitig bügeln, einpacken und direkt in die Schaufenster beamen. Sondern das immernoch menschliches Handwerk dahinter steckt. Auch das ein Großteil der Mode, die heutzutage in den Geschäften hängt, schon eine weite Reise hinter sich hat und selten in Deutschland produziert wurde, schockiert kaum noch.
Die Produktion im Ausland, ein leidiges Thema.
In diesem Zusammenhang wird oft über Billiglöhne, schlechte Arbeitsbedingungen und lange Arbeitszeiten gesprochen. Nur richtig vorstellen, wie es in so einer Näherei in Fernost aussieht, konnte ich mir bisher nur schwer. Umso spannender fand ich Daniels Geschichte, ein ehemaliger Arbeitskollege von mir, der die Möglichkeit bekam, für eine Woche in einer Näherei in Bosnien zu arbeiten. Ich habe mich mit ihm getroffen um mehr über die Arbeit in Bosnien zu erfahren. Heute teile ich mit euch seine Geschichte.
Most of you know by now that clothes don’t come from machines which cut the fabrics, sew everything and hang in, already ironed, on the rack for us to shop. There’s still some craft behind the trade and the clothes we see in our local stores usually have a long journey behind them.
The production in foreign countries is a tedious subject.
The subject of production in the textile industry is often closely connected to poor working conditions and long working hours. But we only hear some stories from some people in some factories. WE don’t really know what’s going on. So I was thrilled when a friends of mine had the chance to go to Bosnia and work in such a factory for a week to train the sewers. I met Daniel and he told me everything first hand. And today I want to tell you.
Seinen ersten Flug hat er sich vermutlich anders vorgestellt, zumal auch an ein anderes Ziel. Die Gewitterturbulenzen hinter sich und sicher in Bosnien gelandet, erwartet Daniel die nächste böse Überraschung: Koffer vertauscht. Spätestens dann wäre ich glaube schon der ersten Verzweiflung nahe, doch Daniel konzentrierte sich erstmal auf den Ort, indem er gelandet ist. Seine ersten Eindrücke: verlassen, klein, halb fertige Backsteinhäuser und eine Infrastruktur, die sich nicht mit der deutschen vergleichen lässt (später stellte sich heraus, dass der Ort in einer Wiederaufbauphase nach dem Bürgerkrieg stecken geblieben ist). Nach der ersten Nacht in einem 4 Sterne-Hotel (entspricht in Deutschland 0 Sternen, so Daniel), begann sein erster Arbeitstag in der ca. 30min entfernten Näherei.
Seine Aufgabe war die dort arbeitenden bosnischen Näher und Näherinnen zu schulen, um ein neues Produkt dort produzieren lassen zu können. Sein Arbeitsbereich war ein relativ kleiner, enger Raum, allerdings recht hell, in dem Nähmaschinen in Reihen geordnet standen. Jede Reihe war vergleichbar mit einem Fließband, an dem je ein Teil gefertigt und von einem „Bandleiter“ kontrolliert wurde. Daniel wurde einer Reihe zugewiesen und musste sich erstmal der vollen Aufmerksamkeit und Neugier aller Mitarbeiter stellen. Mit Hilfe eines Dolmetschers und Kenntnissen aus einem vorigen 2-Tage-Crash-Kurs erklärte er den eingeschüchtert wirkenden Arbeitern etwas über Ärmel-, Schlitz- und Knopfverabeitung eines Sakkos. Schnell wurde ihm klar, dass ziemliche Autoriät in seinen Reihen herrschte.
Ganz selbstverständlich rutschte ihm ein Lob über die Lippen, was gleich zu Unkonzentriertheit führte. Ein Blick zu den Nachbar-Reihen zeigte ihm, dass mit den Arbeitern hier anders umgegangen wurde. Es herrschte ein Befehlston und auch vor einem leichten Klapps wurde nicht zurück geschreckt. Dann wunderte Daniel auch nicht mehr, dass „seine Lehrlinge“ den Augenkontakt mieden und nicht von ihren Maschinen hochschauten.
Daniels first impressions weren’t the best. On his flight his suitcase went missing and the storm during his flight did the rest. Already in a bad mood he arrived in Bosnia where he found empty streets and distroyed houses from the war. The infrastructure was almost non-existent. He was promised a hotel with four stars but it didn’t at all fulfill german standards. When you are in a different country you simply have to adapt to their way of living.
The next day he started his work in of of the textile factories. His task was to educate the sewers and to introduce a new way to sew a sports jacket. The rooms where they worked were light, relatively small, and crowded with sewing machines. Each machine had one task in the process of sewing a sports jacket.
With the help of an interpreter he talked to the sewers and quickly realized that they were used to a different tone around there. Daniel praised their work and the sewers reaction was unusual for Daniel. They couldn’t concentrate any more. The workers were cowed by other supervisors and didn’t look up from their sewing machines.
Pictures via Reuters
In der bosnischen Näherei arbeiten ca 500 Angestellte, es gibt mehrere Vorgesetzte, die sich nicht nur durch ihre Wortwahl, sondern auch durch ihr Aussehen abheben. Unter den Angestellten herrscht Uniformpflicht, sie tragen eine Art „Kittel“. Die Näherei gilt als Familienbetrieb, aber nicht nur, weil die Chefposition innerhalb einer Familie weitervergeben werden (sowie wir es in Deutschland verstehen), sondern auch weil ganze Familien dort als Arbeiter angestellt sind, dass heißt die 15jährigen Tochter arbeitet in dem gleichen Pensum wie die Eltern. Ein normaler Arbeitstag sind 10h, wobei die sich auch in die Länge ziehen können, wenn die Tagesaufgabe nicht fertig geworden ist, d.h Überstunden waren nicht selten. Die Arbeitswoche begann Montags und endete Samstags, manchmal auch erst Sonntags, je nach Umfang der Aufträge.
Zum Vergleich: Eine Arbeitswoche hier umfasst normal 5 Tage a 8h, da können wir uns doch wirklich glücklich schätzen. Aber was wir bemitleiden, ist in Bosnien ganz normal. Die Arbeiter wirkten froh dort zu arbeiten und Geld verdienen zu können um sich zu versorgen.
Nach einer Woche mit Einblicken in eine andere Welt der Modeproduktion, hat Daniel eine andere Sicht auf viele Dinge bekommen. Sein Fazit fällt recht positiv aus, er ist froh diese Chance genutzt zu haben und weiß, dass ihn die Eindrücke für seine Zukunft prägen werden. Auch ich bin froh, dass ich durch Daniels Erzählungen eine kleine Vorstellung bekommen habe und freue mich darüber sie mit euch teilen zu können. Vielen Dank Daniel!
Ich stelle mir jetzt die Frage, ob viele Firmen auch so einen Einblick in ihre Produktion haben und ob sie die Möglichkeiten hätten etwas an der Situation zu ändern. Viele Produktionsstätten der Zulieferer bleiben im Verborgenen, kann das richtig sein? Hat man als Firma Einfluss auf die Bezahlung und die Stunden die die NäherInnen arbeiten? Sollte die 15 jährige Tochter der Näherin nicht eigentlich in der Schule sein?
In the factory in Bosnia work about 500 sewers and a few superiors. Those two a clearly divided by their clothes. In Bosnia those factories are family business. Not because the son inherits the company, like would imagine a family business here, but because the whole family works there. This means the 15yo daughter works the same ours as all the other members of the family.
Sometimes they work 12h per day, 7 days per week, depending on the work load they have to sew. Compared to Germany this is slavery. Especially because we can’t know whether they are payed accordingly, which I doubt.
Daniels resumé after a week in this factory was still positive, because the sewers seemed glad to have a job to feed their family. Thanks a lot to Daniel for this insight!
Now I ask myself whether the companies these factories work for have any kind of influence on the working conditions and shouldn’t the 15y/o daughter go to school rather than sewing side by side with her family?
daniel ist ein spast
Es würde uns freuen, wenn ihr uns in den Kommentaren eure Meinung dazu da lasst! 🙂